Wir erinnern uns:
Transformation bedeutet den Übergang von Zustand A zu Zustand B, wobei die Regeln beider Zustände in der Übergangszeit häufig beide gleichzeitig Geltung beanspruchen, auch wenn sie sich widersprechen. Außerdem sind die zu B gehörigen Regeln noch unklar und müssen herausgefunden werden. Das geht nur experimentell und iterativ. Dabei müssen die Pioniere auch Mut beweisen, denn sie können immer leicht kritisiert werden. Schließlich halten sie sich nicht an die Regeln von Zustand A.
Genau deswegen müssen wir über folgende Haltung reden, die letztlich wenig mehr als eine Abwehrreaktion gegenüber dem Neuen, dem man ausgesetzt ist, ist.
In den Social Media Bubbles breitet sich grade eine reaktionäre Haltung aus. Sie kommt durch eine positivistische Zahlengläubigkeit zum Ausdruck, die sich hinter Wissenschaftlichkeit versteckt und sie diffamiert pädagogische Versuche, die neue Wege gehen, um der Transformation zu begegnen.
Damit legen sie denen Steine in den Weg, die sich tatsächlich trotz widriger Umstände auf den Weg machen, die Herausforderungen vor denen wir stehen zu bewältigen.
Das soll mitnichten eine Aufforderung sein, wissenschaftliche Studien nicht zur Argumentationsgrundlage zu machen. Wieso sich Metastudien nicht als Grundlage zur Bewältigung der Transformation eignen, habe ich hier ausführlich beschrieben. Diese Haltung besteht aber auch aus: „Da gibt es keine Studien zu, also können wir dazu nichts sagen“. Denkt man das konsequent zu Ende bis zur Vollendung der Transformation, wenn man dann Studien darüber hat, welche Maßnahmen zu erfolgreicher Transformation geführt haben, dann besteht die Haltung aus: „Studien sagen, so funktioniert das.“ Im Nachhinein, ist man immer schlauer. Das entlastet aber nicht davon, mit der Gegenwart umzugehen. Egal wie schwierig diese ist.
Ich möchte an dieser Stelle auch erwähnen, dass der Streit zwischen Empirismus und Rationalismus längst vorbei ist, und niemand hat da Lust auf eine Wiederholung. Man mag sich über die Grenze streiten, aber grundsätzlich brauchen wir sowohl die Erfahrung als auch die Vernunft um Aussagen über die Welt zu treffen.
Erstaunlicherweise sind die Protagonisten solcher Haltung erstaunlich stumm, wenn man mit Wissenschaftstheorie und Begriffen wie Geltungsrahmen oder Aussagekraft kommt.
Wer möchte kann sich noch in den „Positivismusstreit“ stürzen, um zu verstehen, warum eine rein positivistische Herangehensweise in Transformationsprozessen zu kurz greift. Die Kritische Theorie hat schon damals darauf hingewiesen, dass die Fixierung auf empirisch Messbares blind macht für gesellschaftliche Dynamiken und Machtstrukturen, die sich nicht einfach in Zahlen fassen lassen.
Was wir stattdessen brauchen, ist eine reflektierte Haltung, die wissenschaftliche Erkenntnisse ernst nimmt, aber gleichzeitig anerkennt, dass Transformation immer auch bedeutet, ins Ungewisse aufzubrechen. Die Pioniere der Veränderung verdienen unsere Unterstützung, nicht unsere reflexhafte Kritik. Sie experimentieren mit neuen Formen des Lehrens, Lernens und Zusammenarbeitens – nicht aus Ignoranz gegenüber der Wissenschaft, sondern aus der Notwendigkeit heraus, Antworten auf Fragen zu finden, die sich in ihrer jetzigen Form noch gar nicht stellen ließen.
Letztendlich ist die beschriebene reaktionäre Haltung ein Symptom der Verunsicherung, die jede Transformation begleitet. Statt uns hinter vermeintlicher wissenschaftlicher Objektivität zu verschanzen, sollten wir den Mut aufbringen, die Unsicherheit auszuhalten und gemeinsam nach gangbaren Wegen zu suchen. Denn die Alternative – das Verharren im Status quo unter Verweis auf fehlende Studien – ist angesichts der drängenden Herausforderungen unserer Zeit schlicht keine Option.