Der SEagent

Schulentwicklung – Bildung – Organisation

Sage „Nein“!

Man sieht eine Spielkarte auf der eine Taube abgebildet ist. Sie hält ein Baguette im Arm und hat ein Berett auf dem Kopf und sagt: "Non!" Darunter der Text Spiele diese Karte jederzeit während eines fremden Zuges, um eine gegnerische Aktion zu verhinder.

Was bedeutet es gebildet zu sein? Es bedeutet einen klaren Kompass zu haben, zu wissen, was richtig ist und was falsch. Es ist richtig eine Bildungsmesse zu veranstalten. Und zwar so lange, wie die Menschen, die sich dort treffen, aufrichtig demokratische Ziele verfolgen: Eine offene, pluralistische Gesellschaft, eine solidarisches Gemeinwesen und die Handlungsfähikeit unserer politischen Institutionen. Bestrebungen, die diese Ziele unterlaufen, sind zu unterbinden. Demokratisch sein, heißt nämlich auch wehrhaft zu sein, wenn es darauf ankommt.


Schon im Vorfeld der unter dem Motto „Demokratie braucht Bildung – Bildung braucht Demokratie“, war plötzlich nicht ganz klar, welchen Stellenwert diese Veranstaltung für die Bildungswelt noch haben kann. Es bestanden gute Gründe für einen Boykott, denn es sollte dieses Jahr zum ersten Mal einen Stand der NoAfd auf der Messe geben. Der beste Grund die Messe trotzdem zu besuchen ist gewesen, es dieser Partei nicht zu erlauben, den wichtigsten Ort des demokratischen Austausches über Bildung zu zerstören. Folgerichtig kam Marina Weisband zwar, lehnte den Preis, den sie als „Bildungsbotschafterin“ mehr als verdient gehabt hätte, aber ab. Der Preis hätte sich angefühlt, „wie ein Deckmantel der Normalität“. Die Rede kann man gut hier nachsehen: https://www.youtube.com/watch?v=gVLGsE1RLFg&feature=youtu.be


Ein Bündnis aus verschiedenen Veranstaltern hatte zum täglichen Protest gegen die blaubraunen Bildungsfernen aufgerufen. Immer um 12:00 Uhr sollte vor dem Stand protestiert werden. Am ersten Tag standen ihnen etwa 100 Menschen singend gegenüber, am zweiten 250 am dritten etwa 300… usw
Dabei zeigte sich, dass der Widerstand unangenehm war. Hatte Rainer Balzer, Initiator des Internetportals Faire Schule, welches zur Denunziation von Lehrern einlud, am ersten Tag noch feixend versucht im Hintergrund AFD Flyer in die Kameras zu halten, sah die NoAfd sich offensichtlich genötigt, die Messe dazu zu bewegen, dem Protest Einhalt zu gebieten, dem diese auch versuchte nachzukommen: https://bawue.verdi.de/presse/pressemitteilungen/++co++0c57e7e6-e9d9-11ef-b8f8-f5c35cdc121d
Das Ende vom Lied, war ein freigehaltener abgesperrter Bereich vor dem Stand. Angegebener Grund: Das sei ein Fluchtweg. Wer die Messe kennt, bspw. Mal zur Comicon da war, der kann nur zu dem Schluss kommen: Das ist vorgeschoben.


Der Didacta Verband hat angekündigt, dass im kommenden Jahr keine Parteien mehr als Aussteller zugelassen werden. Das ist insofern zu begrüßen, als dass die NoAfd dann auch keinen Stand mehr haben wird, aber insofern abzulehnen, als das hier Ungleiches gleich behandelt wird. Wenn demokratische Parteien sich an Bildungsarbeit beteiligen wollen, so ist das zu begrüßen. Wenn Feinde der Demokratie das wollen, dann nicht. Die Messe drückt sich darum unterscheiden zu müssen, welche Parteien zugelassen werden sollen und welche nicht. Und ich kann verstehen, dass es schwierig ist, Kriterien dafür zu entwickeln, aber das wird man müssen. Sonst spielen wir nächstes Jahr das gleiche Spiel mit der Desiderius Erasmus Stiftung.
Im Moment scheint der Kompass der Bildungsmesse nicht ganz klar zu sein. Er schlägt mal nach hier aus, mal nach da. Man muss das doppelte Defizit im Motto der Didacta also als Auftrag verstehen. Und zwar als Auftrag an die Didacta selbst. Bildet eine demokratische Struktur, die euch erlaubt wehrhaft zu sein. Kurz, erlaubt euch zu handeln. Das ist nämlich, und da kommen wir zur eigentlichen Bildungs-Diskussion, ein Problem, nicht vorhandener Agency.


Bei den tollen Gesprächen, die ich auf der Didacta führen durfte, ist mir eine Sache klar geworden: „Agency“ ist der Kernbegriff transformationaler Pädagogik. Der Fachbegriff stammt aus der anglistischen Didaktik und ist weitgehend deckungsgleich mit dem deutschen Fachbegriff Selbstwirksamkeit. Er umfasst aber mehr. Die deutsche Selbstwirksamkeit ermöglicht es Räume aufzubauen, in denen gestaltet werden darf. Agency hingegen beinhaltet die Möglichkeit, „Nein“ sagen zu dürfen.


Warum brauchen wir „Agency“? Weil „Selbstwirksamkeit“ in einer transformierten Welt nicht reicht. Lernende müssen die Autorität über ihren Lernprozess haben, denn nur sie haben die Expertise über ihre Interessen, ihre Vorerfahrung und ihre Kenntnisse. Lernzeit ist zu wertvoll, um sie gelangweilt auf vorgedachten Pfaden, die im besten Fall einigermaßen passen, zu absolvieren. Sie brauchen die Freiheit „Nein“ zu sagen und diese Pfade zu verlassen. Eine individualisierte Bildung kann nur so funktionieren. Auch und vor allem deshalb, weil das „Nein“-Sagen eine demokratische Kernkompetenz ist, die geübt werden will.


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