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Grundgesetze der Digitalität


Wie man sämtliche Bereiche der gesellschaftlichen Veränderungen bewältigt

Die gesellschaftlichen Herausforderungen in der VUCA/BANI Welt stellen uns vor multiple Herausforderungen. Ich glaube, dass wir diese nur bewältigen werden können, wenn wir uns selbst eine Sprache geben, die die üblichen Untiefen vermeidet. In sämtlichen Debatten wie Klimakatastrophe, Pandemie, Bildung oder Mobilitätswende sind es nicht nur die tatsächlich manchmal schwierigen Zusammenhänge, sondern auch begriffliche Verwirrungen und „Zauberbegriffe“, die uns das Lösen von Problemen erschweren. Von der Nebelkerze E-Fuels, über die Verwirrungen von Digitalisierung und wissenschaftsfeindliche Meinungsbegriffe hin zu tödlicher Immunität durch Ansteckung reichen die Beispiele. Anhand des magischen Begriffs „künstliche Intelligenz“ und der Regeln von Emily Tucker versuche ich, einen Vorschlag für eine solche Sprache zu entwickeln.

Kathrin Passig analysiert und zerlegt kunstvoll die Verwendung des Begriffs „Künstliche Intelligenz“ in ihrem Vortrag: „Die Vergangenheit der Zukunft: 70 Jahre künstliche Intelligenz“ . Sie beendet ihn mit Handlungsempfehlungen von Emily Tucker, an deren Institut die Begriffe „AI“, „artificial Intelligence“ und „machine learning“ nicht mehr verwendet werden. Diese Handlungsempfehlungen lauten:

  1. So genau wie möglich sagen, was passiert
  2. Wenn etwas undurchschaubar ist, die Gründe dafür präzise zu benennen
  3. Firmen und Verfahren konkret benennen
  4. Nichts so formulieren, als mache eine Maschine was ganz von alleine
  5. Un-magische Wörter finden
  6. Auch bei abstrakten Überlegungen konkrete Technik benennen
  7. Nicht alles „KI“ nennen, was neu ist
  8. Nicht alles „KI“ nennen, was sehr teuer ist

Diese Regeln tragen den Umständen Rechnung, dass wir Menschen Dinge gerne vermenschlichen, ihnen also menschliche Eigenschaften zuschreiben, die sie nicht haben. Und dass wir gerne in Ehrfurcht erstarren, vor Dingen, die so neu sind, dass wir sie erstmal nur wie Zauberei erfassen können. Schließlich erscheint jede hinreichend komplexe Technik für die Uneingeweihte wie Zauberei.

Wenn ich diese Regeln auf den Begriff Digitalisierung übertrage, scheint mir das sehr nützlich zu sein. Sie scheinen mir aber darüber hinaus grundsätzlich sinnvoll, um in einer Welt, deren Komplexität an vielen Stellen überfordernd sein kann, Orientierung anzubieten. Ich fasse diese Regeln so:

  1. So genau wie möglich sagen, was passiert
  2. Wenn etwas undurchschaubar ist, die Gründe dafür präzise zu benennen
  3. Firmen und Verfahren konkret benennen
  4. Nichts so formulieren, als mache Digitalisierung was ganz von alleine
  5. Un-magische Wörter finden
  6. Auch bei abstrakten Überlegungen konkrete Technik benennen
  7. Nicht alles „Digitalisierung“ nennen, was neu ist
  8. Nicht alles „Digitalisierung“ nennen, was sehr teuer ist

Regel 1 führt dazu, dass Dinge statt als Digitalisierung als Computerisierung, WLanifizeriung, Breitbandifizierung benannt werden sollten.

Regel 2 könnte zur Folge haben, dass man sagt: Dass der Algorithmus X den Output Y zeigt, ist wegen der Komplexität seiner Programmierung nicht nachzuvollziehen.

Regel 3 führt dazu, dass bspw. Microsoft und Google wegen der Speicherung von personenbezogenen Daten weiter als Problem für den Datenschutz benannt werden.

Regel 4 verhindert, dass Entitäten, die nicht handlungsfähig sind, die Verantwortung für Missstände zugeschrieben wird, so dass die eigentlichen Träger der Verantwortung entlastet werden und damit Stillstand perpetuiert.

Regel 5: Cyberwar und Blockchain sind schnell entzaubert, wenn man stattdessen von DDos-Attacken und von einer kontinuierlich erweiterbaren Liste von Datensätzen in einzelnen Blöcken spricht.

Regel 6 führt dazu, das Text- und Bildgeneratoren als solche benannt werden und hinter dem Algorithmus keine Person vermutet wird.

Regel 7 verhindert naiven Enthusiasmus,

und Regel 8 hilft vielleicht dabei, den Glücksrittern, die häufig aussehen wie sehr nette Verkäufer*innen, zu entgehen und (öffentliche) Budgets zu schonen.

Diese Regeln scheinen also gut geeignet zu sein, um auf „Digitalisierung“ angewendet zu werden. Meine These ist ja aber, dass sie sich für die Bewältigung sämtlicher Bereiche der gesellschaftlichen Veränderungen eignen. Versuchen wir die Regeln zu verallgemeinern:

  1. So genau wie möglich sagen, was passiert
  2. Wenn etwas undurchschaubar ist, die Gründe dafür präzise zu benennen
  3. Firmen und Verfahren konkret benennen
  4. Nichts so formulieren, als seien die Urheber von Handlungen keine Menschen
  5. Un-magische Wörter finden
  6. Auch bei abstrakten Überlegungen konkrete Technik benennen
  7. Nicht alles, was neu ist, ist eine Lösung
  8. Nicht alles, was sehr teuer ist, ist eine Lösung

Als neunte Regel würde ich noch hinzufügen:

9. Demaskieren, wenn diese Regeln nicht berücksichtig werden

Diese Regeln müssten dazu führen,

  • dass das menschliche Bedürfnis Dinge zu vermenschlichen im Zaum gehalten wird
  • dass niemand mehr vor der zauberhaften Welt, die man meint nicht verstehen zu können, erstarren muss.

Je genauer und konkreter wir die Dinge beschreiben, desto handlungsfähiger sind die, die uns zuhören. Desto weniger verfangen die Zauberbegriffe der einfachen Lösungen der Demagogen. Und desto weniger befinden wir uns in gesellschaftlichen Sackgassen.

Dieser Text als Podcast


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